Dünenrose
Ist hier noch frei?“, fragte mich der Schnurrbartträger. „Ich dachte, ich hätte mir ein ungestörtes und stilles Plätzchen ausgesucht, aber meinetwegen, nehmen Sie doch Platz.“ Er setzte sich neben mich, nahm seinen Filzhut vom Kopf und legte ihn zwischen uns. Er sog die Berliner Luft tief ein, nahm ein Buch in die Hand und begab sich in eine-als-ob-Pose. Gespannt wartete ich, welche Merkwürdigkeit er sich als nächstes ausdachte. Mein Schnürsenkel hatte sich gelockert. Ich beugte mich nach unten und während ich ein Schleifchen band, warf ich ein Blick auf den Einband von seinem Buch. „Dünenrose“ las ich laut vor. „Stimmt was nicht?“, fragte er. „Dieses Buch wird ein Überraschungserfolg“, sagte ich. "Aha“, antwortet er und las weiter. Ich klappte mein Buch zu und lauschte dem Vogelgezwitscher. Mich beschäftigte mein Auftrag von ganz oben. Es lag auf der Hand, dass Bouche mich als Spionin enttarnen würde. Als gescheiterte Poetin, konnte ich mir diesen Flop nicht auch noch erlauben. Über diese ganze Grübelei bemerkte ich gar nicht, dass der Mann weg war. Nur der Filzhut lag noch auf der Bank, der augenblicklich von einem Lüftchen erfasst und hoch in die Luft gewirbelt wurde. Ich stieg ganz schnell auf die Bank, streckte die Arme in die Luft und schnappte mir den Hut.
Freni - 28. Dez, 08:39