23
Dez
2017

Im Dickicht und Tulpenfeld

Ich summte ein Liedchen, als ich mich durch dichtes, undurchdringliches Gestrüpp und Gebüsch am Spreeufer kämpfte. Mehrere Male blieb ich an Dornen und widerspenstigen Ästen hängen. Einmal stahl mir sogar ein herabhängender Ast die Mütze vom Kopf. Diese Tour war eine der gemeinsten Gebiete, wenn es darum ging, Bierbüchsen, Flaschen, Tüten und Werbeprospekte aus dem Dickicht zu angeln. Nächste Woche sollte ich eine Einweisung in eine neue Kehrmaschine erhalten. „Haste ´nen Führerschein“, fragte mich Manuel. „Ja“, log ich. „Das ist aber eine Gehwegmaschine und außerdem……“, Manuel winkte ab, schnappte seine Schutzausrüstung und verließ schlürfend die Halle. Inzwischen hatte ich mich aus dem Dschungel befreit, saß auf einer Bank und biss in mein Allwetterbrötchen. Neuerdings durften wir nur noch zehn Minuten Frühstückspause machen, was einen positiven Nebeneffekt brachte. Ich gewöhnte mir ab, Bandwurmsätze in mein Notizbuch zu schreiben. Heute wollte ich unbedingt auf einen Artikel, den ich gestern las, antworten. Die Überschrift des Kommentars sollte „Wenn Geschichten einander antworten“ lauten. Ich verstaute meine Brotbüchse im Rucksack, lief zurück ins Dickicht und sah einsam und alleine eine Tulpe am Gehwegrand blühen. Sofort erinnerte ich mich an das Pförtnerhäuschen, welches seit vier Tagen einem Tulpenfeld glich. Bouché überschüttete mich mit den Blumen. Meine Ablösung hatte alte Einweckgläser und Marmeladengläser von zu Hause mitgebracht und die Tulpen schön gleichmäßig im Raum verteilt. Immer wenn Bouché die Wache passierte, hielt ich lächelnd ein Tulpenmarmeladenglas hoch und dachte: Hoffentlich geht mir Dr. Michael Bouché nie verlustig.
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Zuletzt aktualisiert: 31. Mai, 07:56

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